Große Städte - Große Seen - Große Fälle
„Sweet Home Chicago“ kam uns häufiger in den Sinn als wir durch Illinois fuhren. Vieles sah hier plötzlich so ähnlich aus wie in Deutschland, vor allem die Vegetation und dann plötzlich der ganze Regen und der Stau auf der Einfallstraße, obwohl es doch schon früher - ach nein - später Nachmittag war. Wir dachten schon, dass wir es gar nicht mehr ins Stadtzentrum von Chicago schaffen und fuhren genervt ab, weil wir einen großen Parkplatz auf der Karten-App gesehen hatten. Dieser erwies sich als zu einem K-Mart gehörig. Hier haben wir dann Pizza gegessen, unser Auto auf dem Parkplatz gelassen und uns kurzerhand in den Nahverkehrszug gesetzt und kurze Zeit später kletterten wir aus dem U-Bahnschacht an die Chicagoer Sonne. Das Wetter hatte ein Einsehen und Chicago erwies sich als eine der schönsten und reizvollsten Städte, die wir in der USA gesehen haben.
Einerseits begeisterte uns die Architektur. Es gibt hier irgendwie einen fließenden, sehr harmonischen Übergang von Gebäuden unterschiedlichstem Baudatums, die nebeneinander stehend miteinander harmonisieren.
Natürlich mussten wir hier noch ein Foto vom Beginn der magischen "Route 66" machen, wo wir das Ende doch schon in Los Angeles besichtigt hatten ( siehe Blog Eintrag dort...)
Zum Lake Michigan hin wird die Downtown durch den Millennium Park abgegrenzt. Am lustigsten war hier der Brunnen „Crown fountain“. Er bestand aus zwei sich gegenüberstehenden, etwa 10 m großen Videosäulen, die jeweils für ein paar Minuten das Gesicht eines Sohnes oder einer Tochter der Stadt zeigten, die so positioniert waren, das sie nach ein paar Minuten und Grimassen plötzlich einen dicken Wasserstrahl aus dem Mund spuckten. Wie so häufig in den USA war der Brunnen auch wieder als Wasserspielplatz für die Kinder freigegeben. Klasse!!!
Auch schön war der Pritzker Pavillon von Frank Gehry, der dann auch sehr an die Wall-Disney Konzerthalle in LA erinnerte...
und natürlich die „Cloud Gate“, eine große, verspiegelte, bohnenartige Struktur, die immer wieder neue Blickwinkel auf sich selbst und das umgebende Chikago freisetzte.
Als wir dann abschließend im Dunkeln den beleuchteten Riverdrive entlang schlenderten, der sich entlang des alten Chicago Rivers entlangzieht, der nicht nur mit dem Lake Michigan sondern auch über ein Kanalsystem mit dem Mississippi verbunden ist, waren wir endgültig begeistert und ein wenig traurig, dass wir nicht noch ein bis zwei Tage bleiben konnten, aber Detroit wartete ja schon auf uns.
Die Fahrt aus Chicago heraus war dann reibungslos. Die Suche nach einem Campingplatz gestaltete sich in der zersiedelten Landschaft aber sehr schwierig. Es wurde schließlich eine Bootsanlegestelle in einem Regional-Park. Die Angler waren auch schon auf dem See, oder noch?
Drei Tage verbrachten wir dann in Detroit. Nach glorreichen Zeiten als Autometropole in den 50er Jahren schrumpft die Stadt praktisch ununterbrochen von über 2.000.000 Millionen Einwohnern auf heute unter 700.000. Detroit ist daher heute vor allem für seine Ruinen bekannt. Einiges davon steht noch. Vielen ist aber inzwischen abgerissen, was der Stadt ein völlig ungewohntes Großstadtfeeling gibt. Überall, auch im absoluten Zetrum, finden sich weitläufige offene Parkplätze und freie Flächen. Zunächst besuchten wir die Downtown, die direkt an dem breiten Detroid River liegt, der den Lake Huron mit dem Eriesee verbindet. Hier gab es reichlich Denkmäler zur Gewerkschaftsbewegung und zum Eisenbahntunnel nach Kanada. Am Riverwalk hatten wirklich alle vorbeifahrenden Radfahrer Lautsprecher mit cooler Musik auf dem Gepäckträger, was eine nette Stimmung erzeugte. Es gibt hier übrigens so viele Radfahrer, weil es einen öffentlichen Nahverkehr eigentlich nicht gibt. Die Stadt hat von jeher vollkommen aufs Auto gesetzt, und wer keines hat, muss eben radfahren...
Danach entdeckte die gesamte Familie zwei rote Kreiselsessel und schließlich führte uns der Spaziergang nach Greektown, wo wir folgerichtig griechisch gegessen haben.
Am nächsten begaben wir uns auf Ruinensuche. Wirklich begeisternd ist die Ruine der alten Bahnstation, die zu ihrer Zeit zu den größten der Welt gehörte. Dieser steht zwar leer, scheint aber erhalten zu werden, Es sind inzwischen neue Scheiben eingesetzte und die zwischenzeitlich gefluteten Keller sollen trocken sein. Man scheint sich aber noch nicht auf eine sinnvolle zukünftige Nutzung geeinigt zu haben.
Wirklich befremdend und auch erschütternd fanden wir das Heidelberg-Projekt. Es handelt sich um zwei bis drei Straßen einer alte Siedung nur wenige Kilometer vom Zentrum Detroids entfernt, die in ein begehbares Kunstwerk verwandelt wurde. In der Siedlung steht nur noch etwa jedes vierte bis fünfte Haus, der Rest ist meist Rasenfläche und so dass man das Gefühl hat, auf dem Land zu sein. Von den noch stehenden Häusern sind einige verfallen, die meisten jedoch in Kunstwerke verwandelt.
Ganz vereinzelt leben noch Leute hier und können von dem schleichenden Verfall des Viertels berichten. Auf einem Haus konnte man sich für einen Dollar per Unterschrift verewigen.
Ein paar Straßen weiter liegen die alten Packard Werke, ein riesiger Gebäudekomplex an dem man entlangfahren und den man auf einer Straße auch durchfahren kann. Dieser ist scheinbar im freien Verfall und wirkte auf uns ziemlich bedrohlich.
Neu und glänzend sieht hier einzig die Zentrale von GM- General Motors- aus, eigentlich schon ein Wahrzeichen der Stadt.
Nach diesen Erfahrungen waren wir froh in unsere etwas weiter draußen liegendende "vollständige" Siedlung zurückzukommen, in der wir uns eigentlich sehr wohl gefühlt haben.
Zwei Wochen später haben wir noch eine Große-Seen-Erfahrung nachgeschoben und haben kurz vor der Ausreise aus den USA noch die Niagara Fälle besichtig. Die Mädchen haben die klassische Fahrt mit dem Boot "Maid of the Mist" mitgemacht und der Rest der Familie ist entlang der Fälle spaziert. Unzweifelhaft mächtige Fälle!